Bei der Wahrnehmung von Farbe spielen die Kontraste eine erhebliche Rolle. Einer der wichtigsten ist der Hell-Dunkel-Kontrast. Genau genommen sehen wir tendenziell entweder farbig und das mit dem winzigen Areal des Gelben Flecks in unseren Augen. Oder wir können, weil nicht sonderlich viel Licht da ist, nur Hell und Dunkel unterscheiden. Dann sehen wir nur Grautöne.
Anhand von Hell und Dunkel können wir bereits Formen erkennen. Farben halten aber noch deutlich mehr optische Informationen für uns bereit und sie wirken auch auf unsere Gefühle. Die bunten Farben, die Menschen normalerweise sehen können, sind Licht in einer bestimmten Wellenlänge. So interpretieren wir im Sehen beispielsweise langwelliges Licht als Rot.
Licht, also Helligkeit, zieht die Aufmerksamkeit auf sich und ein Bild logisch verteilte Kontrast von Licht und Schatten kann für uns gedanklich Volumen und damit den Eindruck von Räumlichkeit erzeugen. Doch wir können auch die Farbtemperatur unterscheiden. Warme Farben sind solche, die eher zu Rot tendieren, also langwelliger sind. Kalte Farben sind kurzwelliger. Gleichzeitig gibt es auch warme Blautöne wie etwa Ultramarin und kalte, helle Rottöne.
Das macht durchaus Sinn. Denn es ist Teil unserer natürlichen Wahrnehmung: Kommt mittags die Sonne von oben, fällt das Licht gerade von oben ein und ist kurzwelliger. Die Farben im Licht sind dadurch tendenziell kälter. Klingt komisch, ist aber so. Da die Farben im Schatten immer die gegensätzliche Farbtemperatur zu den Farben im Sonnenlicht haben, gibt es dafür mittags warme Schattenfarben.
Diese Grundprinzipien gelten natürlich auch für die abstrakte Malerei. Durch das Spiel heller und dunkler, warmer und kalter, bunter und unbunter Farben kann ein Werk allein durch Farbe abwechslungsreich und in einer gewünschten Wirkung komponiert werden, jenseits von Flächen und Linien. Kein Wunder, dass sich die Farbe längst emanzipiert hat, vom reinen Kolorit einer Zeichnung. Gerade in der Farbmalerei ist sie der Hauptdarsteller.
(Abbildung des Titelbildes: Robert Delaunay, Rythme, Joie de vivre, 1930, Musée d´Art Moderne, Paris)
August Macke, Landschaft Tegernsee, 1910
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg